Von Tarifpartnern und Einsatzbereitschaft oder warum die RTs trotzdem fuhren

Thomas Wolf, Geschäftsführer der RTG mbH

»Man musste bei den Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der EVG nicht selbst dabei sein. Bisher bekam man alle Details und Zwischenstände in größter Genauigkeit über die Medien geliefert. So war dann klar, dass wegen des Themas Mindestlohn die Gewerkschaft einen 50-stündigen Streit bekannt gab. Klar war auch, dass die Streithähne nur noch einen Euro auseinanderlagen, um die Verhandlungen fortsetzen zu können. Stattdessen bekam ganz Deutschland zu hören, wie unsolidarisch sich die einen und wie verhandlungsresistent sich die andere Seite verhält. Ich frage mich: gehen so Tarifpartner miteinander um?

Auch unsere vergangenen Tarifverhandlungen mit der GDL waren nie einfach. Entscheidend war aber, dass beide Verhandlungsseiten lösungsorientiert und kompromissbereit waren und die vorgetragenen Zwänge des jeweils anderen ernst nahmen. Das führte bisher immer zu guten verantwortungsbewussten Abschlüssen, ohne dass man in der Öffentlichkeit mit dem Finger auf den jeweils anderen zeigte.

Am Freitag, den 12.05.2023 warteten wir bis in die Nachmittagsstunden. Wir waren uns unsicher, ob wegen des einen Euro es vielleicht doch noch eine Möglichkeit gäbe, den Streik abzuwenden. Gegen 13:30 Uhr dann die in öffentlichen und internen DB-Medien verbreitete Meldung: der Streik findet statt. Von diesem Moment an setzten wir die bereits getroffenen Vorbereitungen in die Tat um. So wurden die Fahrpläne geändert, die Bordrechner mit neuen Fahrplänen versorgt, die internen Medien (www.rtg-kassel.de und NVV) informiert und für alle Betroffene Dienste geändert bzw. abgesagt. Gleichzeitig organisierte die Werkstatt zusätzliche Instandhaltungen, teils auch mit der Beauftragung externer Firmen, um die geringere Anzahl an im Einsatz befindlichen Fahrzeugen eben genau dafür zu nutzen. Alles in allem ein gehöriger Aufwand dies alles zu planen.

Am Samstag, den 13.05.2023 kassierte dann ein von der DB angerufenes Arbeitsgericht den Streik ein bzw. das Gericht rang den Streithähnen einen Vergleich ab. Warum konnte dies nur im Rahmen einer gerichtlichen Verhandlung geschafft werden. Warum schaffen es nicht die Tarifparteien selbst, sich auf einen solchen Kompromiss zu verständigen? Alles nur ganz schlechtes Theater.

Nun standen wir vor der Frage: bekommen wir die ganzen Planungen für die Streiktage wieder zurückgedreht? Können wir, beginnend an einem Samstagnachmittag die Betriebsplanung neu aufsetzen, die geplanten zusätzlichen Instandhaltungen absagen und vor allem: können wir Triebfahrzeugführer, denen wir nur einen Tag vorher Dienständerungen und Dienstabsagen zukommen lassen haben kurzfristig erreichen und Ihnen eine erneute Dienständerung vermitteln? Es wäre sicherlich nicht gut gewesen, wären wir, trotz nun plötzlich doch wieder verfügbarer Gleisinfrastruktur der DB Netz, nicht in der Lage gewesen, den normalen Betrieb anzubieten. So machten sich viele auf den Weg und schafften in kürzester Zeit an einem Wochenende ein kleines Wunder. Alle Fahrzeuge standen zur Verfügung, die Planung wurde erneut geändert und Dienste wurden neu disponiert.

Möglich gemacht haben das Kollegen in der Betriebsplanung der KVG, der RT-Werkstatt (KVG) der Leitstelle (KVG), unserer Dispo und Sie.

Konkret bedanken möchte ich mich im Namen der gesamten Geschäftsführung insbesondere bei Leonardo von Bardeleben, Harald Pfannkuch, Ramin Zaka, Torben Kühl und allen Triebfahrzeugführern, die zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit bereit waren, eine geänderte Planung zu akzeptieren, die an freien Tagen an ihr Telefon gehen oder selbst angerufen hatten, um ihre Bereitschaft zur Dienstübernahme zu erklären, aufgrund einer gelesenen Mail oder, weil die Streikabsage sie über die Medien erreichte.

Wir bedanken uns bei allen, die gezeigt haben, dass wir als RTG ein wirklich starkes Team sind, die verantwortungsbewusst handeln, Einsatzbereitschaft zeigen und denen unsere verkehrliche Aufgabe am Herzen liegt.

Kurzer Nachtrag zur DB: die gab bekannt, dass aufgrund des kurzen Vorlaufs viele Zugverbindungen trotz der Streikabsage leider nicht verkehren können. Welch Unterschied zu Ihrem Einsatz!!

Mir waren diese Zeilen wichtig, um den Dank und den Stolz ansatzweise ausdrücken zu können und an Sie weiterzugeben.«

Herzlichst Ihr
Thomas Wolf

Kassel, 15.05.2023

von
Thomas Wolf, RTG mbH